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Ich bin im Zweifelsfall für den Sprung ins kalte Wasser

Georg Frauenschuh im Gespräch mit Saskya Rudigier

Wie lassen sich Elternschaft und Künstler_insein gut unter einen Hut bringen? Dieser Frage geht die IG Bildende Kunst seit Herbst 2013 nach – in Workshops, Vernetzungstreffen und Textbeiträgen im Bildpunkt, der Zeitschrift der IG Bildende Kunst. Von Mai bis Juli 2016 haben wir diese Auseinandersetzung in einer Interviewserie fortgesetzt. Die Gespräche führte Saskya Rudigier.

Haben die Kinder ihre berufliche Situation verändert?
Georg Frauenschuh: Bei mir war die Vaterschaft zeitgleich mit meinem Diplom. Der große Vorteil ist, dass meine Freundin auch Künstlerin ist und wir haben uns, sobald das Stillen dies erlaubt habt, die Zeit gut aufgeteilt. Jede_r hatte einen halben Tag zur Verfügung, und wir waren da auch ziemlich strikt und haben versucht, keine Unterschiede zu machen, ob es nun ein wichtiges Treffen war oder eineR von uns im Kaffeehaus ein Buch lesen wollte. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, waren ziemlich gleich, aber die Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlich. Während meine Freundin ständig gefragt wurde, ob sie trotz des Kindes weiterhin zum Arbeiten kommt, wurde ich bis heute nie mit dieser Frage konfrontiert.

Welche Veränderungen haben Sie in Ihrer Arbeitsweise wahrgenommen?
GF: Es hat zu Veränderungen in der Ökonomie geführt, dass ich bestimmte Bereiche der künstlerischen Arbeit auslagern konnte, während ich auf die Kinder geschaut habe. Sobald ich im Atelier war, habe ich auch sogleich zu arbeiten begonnen. Ich bin viel geplanter an meine Arbeit herangegangen.

Grundsätzlich beeinflusst jeder Lebensumstand  


Haben die Kinder Ihre Arbeit inhaltlich beeinflusst?

GF: Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Grundsätzlich beeinflusst mich jeder Lebensumstand oder jedes Wissen über Dinge in meiner künstlerischen Arbeit. Vielleicht haben die Kinder die Art und Weise wie man objektiviert verändert. Als Vater macht man auch die Erfahrung mit anderen Dingen beschäftigt zu sein als nur mit künstlerischen Fragestellungen. Deswegen weitete sich die Zuwendung auch zu Dingen aus, die mich vorher nicht so interessiert haben.

War für Sie von Anfang an klar, gleichberechtigt Ihren Anteil an Kinderbetreuung und -erziehung zu leisten?
GF: Diese Frage hat sich mir nie wirklich gestellt. Für uns war klar, dass wir beide künstlerisch weiter arbeiten wollten.

Haben Sie Forderungen oder Wünsche, wie sich die Arbeitsbedingungen von Künstler_innen mit Kindern verbessern könnten?
GF: Stichwort Kinderbetreuung, aber das betrifft alle. Künstler_innen sind phasenweise in prekäreren Umständen und spüren ökonomische Zwänge stärker. Aber im Grunde trifft vieles von Künstler_innen auch auf andere Selbstständige zu.

Kindererziehung ist ein naheliegender Ausgleich zur künstlerischen Tätigkeit 

Arbeiten Sie auch außerhalb des Ateliers?
GF: Ich habe seit einiger Zeit einen Lehrauftrag auf der Kunstuniversität Linz. Davon leben kann ich nicht, aber ich habe eine gute monatliche Basis. Ich bin damit als Künstler gefordert und angewiesen über die Arbeit im Atelier hinaus meine Arbeit nach außen zu tragen. Das sind unterschiedliche Qualitäten innerhalb der künstlerischen Beschäftigung: Das, was man im Atelier macht, und sich dann darum zu kümmern, dass andere das auch sehen.
Das künstlerisch tätig sein ist ein ziemlich naheliegender Ausgleich zur Kindererziehung. Und oft fehlt Kraft für Bereiche, die mit anderen Formen der Anstrengung verbunden sind.

Haben Sie mit Ihren Kindern an einem Artist-in-Residence-Programm teilgenommen?

GF: Wir waren mit den Kindern zweimal in China – 2007 in Beijing und 2011 in Nanjing – für jeweils 3 Monate. Das war für alle Beteiligten sehr bereichernd. Die Kinder waren im Programm nicht vorgesehen, aber aufgrund zusätzlicher Projektförderung – die ich aufstellen konnte – ist es finanziell möglich gewesen. Beim zweiten Aufenthalt war der Ältere schon schulpflichtig. Der Stadtschulrat hat es genehmigt, dass unser Sohn mit dem Überschneiden der Ferienzeit fehlt, aber es war nicht so selbstverständlich.
Derzeit planen wir es nicht konkret, aber die Überlegung wieder gemeinsam an einen AiR-Programm teilzunehmen, begleitet uns schon.

Das Besondere bei AiR ist, aus seinem Alltag herausgerissen zu werden 

Sollte es spezielle AiR-Programme für Künstler_innen mit Kindern geben?
GF: Wenn ich mir jetzt vorstelle, an einem Programm teilzunehmen, das speziell für Künstler_innenfamilien ist, kommt mir dies zu wenig divers vor. Vielleicht habe ich eine falsche Vorstellung, aber das geht so in Richtung Familienhotel. Das ist auch das Besondere an diesen AiR-Aufenthalten, dass man aus seinem Alltag und den Bedürfnissen herausgerissen wird. Eine zusätzliche Unterstützung für AiR-Programme wäre allerdings hilfreich, um scheinbar unüberbrückbare Hürden für Künstler_innen mit Kindern nehmen zu können.

Was ist das Positive daran, Kinder und künstlerische Arbeit vereinbaren zu müssen?
GF: Kinder sind ein guter Ausgleich zur intensiven künstlerischen Beschäftigung, die einen teilweise so vereinnahmt, dass man phasenweise Abstand braucht. Da sind Kinder oder die Familie recht wichtig. Das funktioniert auch sehr unmittelbar: Innerhalb der Familie ist man sofort in andere Fragestellungen involviert ist, ohne sich selber darauf programmieren zu müssen. Ein interessantes Spannungsverhältnis, wie ich finde.
Ich hatte und habe keine konkreten Vorstellungen wie mein künstlerisches Leben oder mein privates Leben verlaufen sollte. Aber ich bin zufrieden und im Zweifelsfall immer für Selbstüberforderung oder den Sprung ins kalte Wasser. Auf das Risiko hin zu scheitern.


Georg Frauenschuh ist bildender Künstler, wohnt mit seiner Lebensgefährtin Gerlind Zeilner in Wien, sie haben zwei Kinder im Alter von 12 und 9 Jahren.

Das Interview führte Saskya Rudigier im Juni 2016. Saskya Rudigier arbeitet mit Text, Bild, Abos und Zahlen. Gerade organisiert sie auch das Kunst- und Kulturwochenende Leise Art Festival: unerhört unverstärkt für Familien und Freund_innen.