Zwei Jahre KSVF-Unterstützungsfonds als „learning by doing“

Maria Anna Kollmann im Gespräch mit Julia Tirler

2015 wurde der Unterstützungsfonds im Künstler_innensozialversicherungsfonds (KSVF) eingerichtet, um Künstler_innen, die seit mindestens sechs Monaten in Österreich hauptgemeldet sind, in besonders berücksichtigungswürdigen Notfällen durch Beihilfen zu unterstützen. Maria Anna Kollmann ist als Vorsitzende des Kulturrat Österreich von Anfang an als eines von vier Beiratsmitgliedern für die Gewährung der Beihilfen mit zuständig.

In welcher Art von Notfall kann sich ein_e Künstler_in an den Unterstützungsfonds wenden und wie wird unterstützt?

2015 wurde der Unterstützungsfonds im Künstler_innensozialversicherungsfonds (KSVF) eingerichtet, um Künstler_innen, die seit mindestens sechs Monaten in Österreich hauptgemeldet sind, in besonders berücksichtigungswürdigen Notfällen durch Beihilfen zu unterstützen. Maria Anna Kollmann ist als Vorsitzende des Kulturrat Österreich von Anfang an als eDer Unterstützungsfonds stellt in erster Linie auf einen konkreten Notfall ab und kann – aufgrund der gesetzlichen Vorgaben – länger andauernde Notlagen nicht oder kaum berücksichtigen. Ein Notfall ist in jedem Fall eine Erkrankung, die dazu führt, dass ein_e Künstler_in ihrer_seiner Erwerbstätigkeit nicht mehr in vollem Umfang nachgehen kann und es daher zu einem Einkommensausfall kommt und nicht ausreichend Geld für den notwendigen Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Auch wenn kein Einkommensausfall folgt, kann es aufgrund einer Erkrankung zu erhöhten medizinischen Kosten (auch für alternativmedizinische Maßnahmen!) kommen, die mit dem üblichen Einkommen nicht bestritten werden können. In beiden Fällen, hilft der Unterstützungsfonds, indem er die finanzielle Lücke üblicherweise mit einem Betrag von bis zu 5.000 Euro abdeckt – also einerseits Lebenshaltungskosten, anderseits die Kosten für Medikamente, spezielle Behandlungen oder Therapien übernimmt. Hier ist es wichtig, entsprechende begründete Heilkostenpläne bzw. Rechnungen vorzulegen.ines von vier Beiratsmitgliedern für die Gewährung der Beihilfen mit zuständig.

Auch Kosten für notwendige Kuraufenthalte können – sofern sie nicht von Krankenkassen bezahlt werden – übernommen werden. Außergewöhnliche Ereignisse, die eine dringende Reparatur oder Anschaffung – etwa Reparaturkosten für ein notwendiges Arbeitsgerät oder auch ein defektes Haushaltsgerät, das aus den üblichen Einnahmen nicht ersetzt werden kann – erfordern, werden ebenfalls berücksichtigt. Auch hier gilt, dass der Schaden und die damit verbundenen zusätzlichen Kosten nachzuweisen sind.

Was ist dein Resümee nach zwei Jahren Beiratstätigkeit im Unterstützungsfonds?

Zunächst war die Arbeit im Unterstützungsfonds für alle Beiratsmitglieder ein “learning by doing”, weil dieser Fonds als völlig neues Instrument erst in seinen Möglichkeiten ausgelotet werden musste. Auch psychisch ist die Tätigkeit belastend. Zum einen, weil anfangs sehr viele Anträge zu bearbeiten waren (was unmittelbar auch mit dem Ausfall weiterer Unterstützungsmöglichkeiten wie etwa durch die Verwertungsgesellschaften aufgrund eines anhängigen Verfahrens gegen Amazon zu tun hatte). Zum anderen, weil sich zeigte, unter welch schwierigen Rahmenbedingungen Künstler_innen versuchen, sich ihre Existenz zu sichern. Sehr rasch stellte sich zudem heraus, welch große Herausforderung es immer wieder für Künstler_innen in Notfällen war, die Anträge ordnungsgemäß auszufüllen, notwendige Beilagen zusammenzustellen, bürokratische Hürden zu überwinden.

Aus Sicht der Interessenvertretungen war sehr schnell klar, dass es großzügigere Regelungen und Auslegungen braucht, um mehr Künstler_innen unterstützen zu können. Hier hat der Kulturrat bereits 2016 Gespräche mit dem KSVF und dem Bundeskanzleramt aufgenommen. Ziel ist und bleibt es, stärker auf die Lebens- und Arbeitssituation der Betroffenen abzustellen und über die engen Richtlinien hinaus auch Ereignisse zu berücksichtigen, die in einem Künstler_innenleben „Notfallcharakter“ haben, auch wenn sie nicht in einem der vier beispielhaft aufgezählten Notfälle genau entsprechen. Verbessert hat sich die Lage, nachdem der Kulturrat einen Leitfaden publiziert hat und die Interessenvertretungen ihre Beratungstätigkeit bzgl. Unterstützungsfonds massiv ausgebaut haben. Dadurch sind viele Rückstellungen mittlerweile obsolet geworden, den Menschen kann früher geholfen werden. Die nachhaltigen Bemühungen, Bewusstsein für die Schwächen des Gesetzes und der Richtlinien zu schaffen, haben zumindest deutlich gemacht, dass weiter Handlungsbedarf zur Verbesserung des Unterstützungsfonds besteht.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Unterstützungsfonds und was würdest du Künstler_innen raten, die um Unterstützung ansuchen?

Ich wünsche mir, dass die Politik die Kritik an dem Gesetz und den Richtlinien des Unterstützungsfonds aufnimmt und in einem konstruktiven Miteinander von Bundeskanzleramt, KSVF und Interessenvertretungen einen weiteren und offeneren Begriff für „Notfälle“ entwickelt, der besser als bisher auf die tatsächlichen Gegebenheiten eines Künstler_innenlebens ausgerichtet ist.

Die Künstler_innen, die Unterstützung benötigen, sollten sich aber keinesfalls abschrecken lassen und einerseits den Leitfaden konsultieren und anderseits Beratungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen. Der KSVF hat die Anregungen des Kulturrat aufgenommen und das Antragsformular adaptiert, sodass Antragsteller_innen vieles erleichtert worden ist und sie genauer als bisher wissen, welche Unterlagen beizulegen sind.


Maria Anna Kollmann ist Germanistin und Theater- und Medienwissenschafterin, Geschäftsführerin im Dachverband der Filmschaffenden und Vorsitzende des Kulturrat Österreich.

Julia Tirler arbeitet unter anderem als Kulturwissenschaftlerin und Kunstvermittlerin, meistens in Wien.

Dieses Interview ist in einer gekürzten Version erschienen in: Bildpunkt, Sommer 2017