Schenkst du mir einen Tag?

Zur Arbeits- und Lebenssituation von Filmschaffenden

Erstens Einkommenssicherheit, zweitens Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Situation, drittens Arbeitszeit, viertens Vereinbarkeit von Beruf und Familie, fünftens Filmförderung. So sieht bei den Filmschaffenden in Österreich das Ranking der größten Herausforderungen in Hinblick auf ihre Arbeits- und Lebenssituation aus. Ende März 2016 ist erstmals eine einschlägige Studie erschienen, hierfür hat das Forschungsinstitut L&R Social Research die Antworten von knapp 700 Filmschaffenden zu Fragen rund um Aus- und Weiterbildung, Tätigkeitsbereiche, Beschäftigung, internationale Mobilität, Vernetzung, Einkommen sowie soziale und kulturelle Förderung unter die Lupe genommen.

Apropos Filmförderung: „Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis ist das Ziel“, hält FC Gloria fest und plädiert für die Einführung von Quoten als gesellschaftspolitisches Steuerungsinstrument. FC Gloria verfolgt die Förderung der Interessen aller Frauen, die in der Filmbranche tätig sind und hat zuletzt sämtliche Förderzusagen der beiden höchstdotierten Förderstellen Österreichs (ÖFI – Österreichisches Filminstitut und FFW – Filmfonds Wien) der vergangenen fünf Jahre geschlechtsspezifisch ausgewertet und ebenfalls im März 2016 präsentiert. Die inhaltlichen Ergebnisse beider Untersuchungen können kaum begeistern und bieten Stoff für Pakete an politischen Forderungen.

Arbeit: kurzfristig, viel und unplanbar

Schon bei der zuletzt 2007 durchgeführten Studie zur sozialen Lage der Künstler_innen, sind die Filmschaffenden durch äußerst komplexe und diskontinuierliche Erwerbssituationen aufgefallen. Die aktuelle Studie bringt die Lage differenziert nach filmischen Tätigkeitsbereichen auf den Punkt. Insgesamt haben die Respondent_ innen 42 verschiedene Berufsfelder genannt: von Schauspiel, Regie, Drehbuch, Kamera und Schnitt (die mit Abstand fünf meistgenannten) über beispielsweise Sounddesign, Maskenbild und Casting bis hin zu den relativ gering vertretenen Location Scouts oder Tiertrainer_innen. Die Hälfte aller Respondent_ innen übt dabei zwei oder mehrere filmschaffende Tätigkeiten parallel aus, 60% arbeiten auch in weiteren künstlerisch-kreativen und/oder nicht-künstlerisch-kreativen Berufen. 42% vs. 32% Frauen verdienen ausschließlich beim Film ihr Geld.

Auftrags- bzw. Beschäftigungsdauer sind typischerweise eher kurz: Gut ein Drittel der Kameraleute hatte im Referenzjahr (2014) Ein-Tages-Anstellungen, bei den Schauspieler_innen – wo Kürzest-Anstellungen dominieren – waren es sogar 43%. Regie und Drehbuch fallen mit den stärksten Ausprägungen an Aufträgen im Ausmaß von drei bis sechs Monaten (je 36%) im Vergleich dazu bereits als relativ „langfristig“ auf. Im Durchschnitt hatten unselbständig Beschäftigte Filmschaffende letztlich fünf verschiedene Beschäftigungen (bei einer Bandbreite von einem bis zu 83 Arbeitsverhältnissen). Selbständig Filmschaffende kamen hingegen auf durchschnittlich elf Aufträge (Bandbreite bei Männern: ein bis 810 Aufträge, bei Frauen einer bis 37).

Stehzeiten, Erwerbslosigkeit, (kein) Arbeitslosengeld

Je kürzer die Dauer, desto höher die Anzahl der Tätigkeiten? Ja, aber… Regelmäßige Stehzeiten führen zu beachtlicher Diskontinuität von Arbeit und Erwerb. Ein Drittel der Respondent_innen hatte 2014 Stehzeiten im Ausmaß von zwei Monaten und mehr und war währenddessen auch ohne Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Mindestsicherung. Neben jenen in Ausbildung (52%), hat dies insbesondere (fast jede zweite_n) Filmschaffende ohne österreichische Staatsbürger_innenschaft betroffen. Die Arbeitslosenversicherung als vorübergehendes Auffangnetz greift nicht, zu groß sind die Versicherungslücken sogar bei den ausschließlich unselbständig Beschäftigten. Gerade einmal gut 60% können eine durchgehende Inklusion aufweisen.

Den erwerbslosen Zeiten stehen enorm dichte Arbeitszeiten gegenüber. 65% der Filmschaffenden hatten Arbeitstage mit über 13 Stunden, 55% hatten Arbeitswochen mit mehr als 60 Stunden, Unselbständige sind davon stärker betroffen. Hinzu kommen Abendarbeit (v.a. bei Beleuchtung und Ton/Musik), Nachtarbeit (hier zeigen die Bereiche Kostüm und abermals Beleuchtung Spitzenwerte auf, wobei 72% der Ersteren und 97% der Letzteren Arbeitszeiten zwischen 22 und 6 Uhr nannten) sowie Arbeit am Wochenende und an Feiertagen (wovon einzig Schauspieler_innen – mit „nur“ rund jeder Dritten, die auf diese Ruhezeiten verzichten muss – relativ verschont blieben; bei allen anderen liegt die Betroffenheit mehr als doppelt so hoch). Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist damit kaum gegeben, worauf etwa Michael Kreihsl (Regisseur und VDFS-Vorstandsmitglied) bei der Präsentation der Studie beispielhaft hinwies: In der Kindergruppe auf wiederholte Nachfrage endlich eintragen, wann diesen Sommer (kein) Betreuungsbedarf besteht? Für Filmschaffende weitgehend ein Ding der Unmöglichkeit. Sie beschreiben ihre berufliche Tätigkeit als äußerst unregelmäßig und vielfach nur schwer planbar. Von regelmäßiger Arbeit sprechen gerade einmal 13% der Filmschaffenden, von regelmäßigem Einkommen 10%.

Der Konkurrenzdruck ist hoch, Lohndumping und Nicht-Einhaltung von kollektivvertraglichen Normen verbreitete Erfahrung. Eine Filmschaffende fasst zusammen: „Menschenverachtende Arbeitszeit, konstante Nichteinhaltung der Ruhestunden, … immer sehr zermürbende Gagenverhandlungen; … Mein momentaner Lieblingssatz, heuer erlebt: ‚Schenkst du mir einen Tag?‘“ Warum also …? „Die Bedingungen für KünstlerInnen sind auch im übrigen kreativ-künstlerischen Bereich sehr hart. Man macht es trotzdem. Aus Liebe.“, meinte etwa eine Schauspielerin.

Das liebe Geld

2007 erzielten die Filmschaffenden vergleichsweise höhere Einkommen als andere Künstler_innen, doch aktuell bestätigtes Faktum ist: „30% der Befragten leben in einkommensschwachen Haushalten resp. armutsgefährdeten Situationen.“ (In der Gesamtbevölkerung sind es 14%.) Die persönliche Einkommenssituation differiert stark zwischen Berufsgruppen, aber auch nach Alter, Etablierung und Geschlecht (Achtung, gender gap: 22,5% beim persönlichen Gesamteinkommen). Kameramänner*frauen (apropos: Frauenanteil 7%) kommen auf ein monatliches Medianeinkommen von 1.523 Euro aus der Tätigkeit als Kameramann*frau. In der Regie (Frauenanteil 28%) sind es 1.167 Euro, bei Produktion/ Aufnahme (Frauenanteil 51%) wiederum 1.208 Euro. Und: „Nicht zuletzt erzielen Männer im Vergleich zu Frauen einen überdurchschnittlichen Anteil ihres gesamten Einkommens aus der filmischen Tätigkeit.“

Drehbuch, Regie und Produktion sind letztlich die Schlüsselbereiche anhand derer FC Gloria die Verteilung von Fördergeldern ausgewertet hat – mit dem Ergebnis, dass gerade einmal 17% (FFW) bzw. 20% (ÖFI) Frauen zuzuschreiben sind. Seine Förderungen für Fernsehproduktionen hat der FFW selbst evaluiert und bereits Maßnahmen ergriffen: Künftig wird nur dann die maximale Fördersumme vergeben, wenn zumindest Produktion, Drehbuch oder Regie durch eine Frau besetzt ist. FC Gloria hält dies als „großartigen Etappensieg in Richtung Gleichstellung film- und fernsehschaffender Frauen“ fest und macht weiter Druck. Nach einem (abgelehnten) Antrag der Grünen im Kulturausschuss im Parlament haben die Koalitionsfraktionen nun angekündigt, bis Juni eine gemeinsame Lösung zu finden.

Und wenn Steine schon mal ins Rollen kommen: Erste Forderungen als Konsequenz auf die Ergebnisse der umfassenden Studie zur Arbeits- und Lebenssituation haben Filmschaffende bei der Studienpräsentation artikuliert. Deren Interessenvertretungen werden sich nun politischen Entscheidungsträger_innen widmen, um umfassenden Verbesserungsmaßnahmen – als Antwort auf die zu Beginn genannten Herausforderungen – Nachdruck zu verleihen.


Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst. (Mitarbeit Recherche: Marlene Haderer)


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