Künstlerische Positionen: Andere in der Ferne

Auf dem Poster ist ein Gedicht der südafrikanischen Dichterin, Performerin, Dramatikerin und Regisseurin Koleka Putuma zu lesen. Water (2015) ist bei einer der ersten öffentlichen Performances, im vorwiegend weißen Ort Stellenbosch, auf Ressentiment gestoßen, wurde aber bei weiteren Auftritten geschätzt und gefeiert. Anhand der scheinbar harmlosen Materie Wasser zeigt Putuma Ungleichheiten und Feindseligkeiten in Südafrika auf und setzt sie in den Kontext der Kolonialisierung. Das Trauma der Versklavung, die Verdrängung afrikanischer Geschichte und Spiritualität aus Geschichtsschreibung und Religion, die anhaltende Herablassung gegenüber allen Sprachen bis auf Englisch und Afrikaans, die kontinuierliche, für das „Afrika-Bild“ Südafrikas unerlässliche Exotisierung Schwarzer – diese und weitere Aspekte bringt Putuma anhand detaillierter Beobachtungen gegenwärtiger Alltagssituationen auf den Punkt. Ihre Performances sind eine erschütternde Anklage der Tatsache, dass die Regenbogen-Nation unter kolonialen Vorzeichen eine Illusion bleiben wird. Sie zeugen auch davon, wie stark die politischen Trennlinien aktueller Verhandlungen zwischen Schwarz und weiß verlaufen.

Auf dem Rückencover ist die Überarbeitung einer Vitrine in der Dauerausstellung „Kunst aus Afrika“ im Ethnologischen Museum Berlin von Dierk Schmidt zu sehen. Sie trägt den Titel Doublette (2013) und zeigt, in die unterschiedlichen Seiten der Vitrine geritzt, Brüche, Schnitte und eine Öffnung, die der Sicht auf den ausgestellten Leoparden-Auqamanile aus Bronze einen neuen Reflexionsraum eröffnen. Die Artefakte waren bei einer sogenannten „Strafexpedition“ der Briten erbeutet worden – im selben gewaltsamen Akt, mit dem das Königreich Benin zerschlagen und dessen Bevölkerung unter britische Kolonialverwaltung gestellt wurde. Von Luschan, Direktor der Afrika- und Ozeanien-Abteilungen des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin, profilierte sich als Händler und Distributor eines Großteils der Artefakte. Innerhalb von drei Jahren wurden 2400 Artefakte in europäische und amerikanische Museumssammlungen eingebracht, 167 davon nach Wien. Derzeit warten die in Berlin gelagerten Werke auf ihren Umzug ins Humboldt-Forum. Schmidt interveniert mit seiner Serie in die andauernde museale Enteignung und Fremddarstellung von Artefakten, die in kolonialen Kontexten angeeignet wurden.

Die Bildstrecke zeigt Bilder einer Performance und Installation von Katia Tirado – mit den Tätowierer_innen Charlotte Arden und Davide Herrera – im Rahmen von Wer hat Angst vorm Museum bei der Wienwoche 2015. Der Titel XIPE-TOTEC La Piel Siguiente (El Brillo en la Negrura de Sobrevivir) – zu Deutsch XIPE-TOTEC Die zweite Haut (Das Leuchten in der Schwärze des Überlebens) – verweist auf eine aztekische Gottheit, die sich kontinuierlich erneuerte, indem sie die Haut von Opfergaben abzog und sich um den Körper legte. Während der Performance übersetzten die Tätowierer_innen Geschichten der letzten Tage der 43 verschwundenen Studierenden aus Ayotzinapa, Mexiko, in Bilder, die sie auf Schweinehaut zeichneten. Tirado nähte die Häute zu einem Leinwand-Quilt zusammen; sie wurden am folgenden Tag gekocht und zum Essen angeboten. So werden Erfahrungen einzelner in eine rituelle Maschinerie eingespeist und mit allen geteilt – das „Eigene“ der Geschichten löst sich auf. Die Performance fand am 26.11.15 statt, genau ein Jahr nach der Entführung der Studierenden.